Sind Podcasts & Hörbücher bald erfolgreicher als klassische Bücher?
In letzter Zeit habe ich immer mal wieder Podcasts gelauscht und das war mitunter so spannend, erhellend und unterhaltsam, dass ich mich gefragt habe, ob im Zuhören nicht die Zukunft des Lesens liegt.
Ständig beklagen sich Leute darüber, keine Zeit mehr zum Lesen zu finden. Meine eigenen Kinder nehmen nur dann (widerwillig) ein Buch zur Hand, wenn ein Handy- bzw. Tabletverbot ausgesprochen wurde und sie absolut keine andere Alternative sehen, der Langeweile den Kampf anzusagen.
Generation Z bevorzugt kurze Texte
Zwar lesen auch sie immer noch, allerdings liegt ihr Augenmerk eher auf kurzen Texten, die die Länge einer WhatsApp-Nachricht nicht übersteigen sollten. Was okay ist, denn immerhin lesen (und schreiben) sie überhaupt. Doch ich kann mir nur schwer vorstellen, dass aus ihnen mal echte Leseratten werden.
Selbst mir fällt es mittlerweile immer schwerer, mich über längere Zeit einem Buch zu widmen. Zumeist fällt mir beim Lesen irgendwas ein: Wollte doch noch XY auf seine Nachricht antworten!, was ich dann auch sofort in die Tat umsetze. Oder ein Sachverhalt im Buch weckt mein Interesse und ich google „mal schnell“ danach, was mich dann gleich auf andere Ideen bringt. Und meine Konzentration ist dahin.
Hörbücher: Das perfekte Nebenbei-Medium
Viele meiner Freunde sind deshalb dazu übergegangen, nur noch Hörbücher zu konsumieren, denn zuzuhören schließt andere Tätigkeiten nicht aus: Man kann Auto fahren, bügeln, basteln, kochen, aufräumen, einschlafen usw. – und nebenbei ein Hörspiel hören. Oder einen Podcast.
Was sind eigentlich Podcasts?
Podcasts gibt es bestimmt schon seit zwanzig Jahren, aber ich habe sie – weil ich wahnsinnig up to date bin – erst in diesem Jahr für mich entdeckt. Sie erinnern mich ein bisschen an Radioformate, in denen sich Moderatoren miteinander unterhalten.
Im Prinzip könnte man heutzutage gänzlich aufs Radio verzichten, indem man sich selbst seine Inhalte in Form von Podcasts zusammenstellt. Das wiederum hätte dann Ähnlichkeiten mit Streamingdiensten wie Netflix oder Amazon prime video, die früher oder später wohl das lineare Fernsehen ablösen werden.
Im Gegensatz zu Radiomoderatoren sind die meisten Podcaster allerdings nicht durch eine Sprecherschule gegangen, was zur Folge hat, dass ihre Stimmen nicht so wahnsinnig gut klingen. Das ist jedoch von Podcast zu Podcast verschieden. Ich kenne nur zwei Podcasts und diese sind äußerst professionell gemacht.
Zwei Podcasts vorgestellt
Da wäre zum einen der ZEIT-Online Podcast „Verbrechen“, in welchem die ZEIT-Redakteurin Sabine Rückert von Fällen berichtet, die sie als Gerichtsreporterin begleitet hat. Für diese Fälle hat sie so gut recherchiert, dass sie alle Hintergründe kennt und somit nicht nur das Verbrechen selbst schildert, sondern die gesamte Geschichte drumherum. Insofern klingt jede Folge ihres Podcasts wie ein Kriminalroman, der auf wahren Tatsachen beruht. Das ist nicht nur unterhaltsam, sondern regt auch noch zum Nachdenken an. Daher sollte man diesen Podcast nicht unbedingt vorm Zubettgehen hören: Grübelgefahr!
Der zweite Podcast – Soziopod – wurde mir von einer Bekannten empfohlen. Wie der Name andeutet, widmet er sich Themen aus den Sozialwissenschaften, aber auch aus der Philosophie. Das Verdienst des Podcasts liegt eindeutig darin, dem Normalsterblichen Themen zugänglich zu machen, denen er sich anderweitig womöglich nie gewidmet hätte. Wer liest schon Nietzsche, Kant, Fichte und wie sie alle heißen im Original?
Die beiden Podcaster Breitenbach und Dr. Köbel bringen schwierige Literatur auf den Punkt und stellen zudem stets einen Bezug zur Gegenwart her. Das machen sie auf so unterhaltsame Weise, dass man voll Spannung zuhört und nach jeder Folge das Gefühl hat, ein klein wenig weiser geworden zu sein.
Nicht mehr nur die Lektüre dient als Orientierungshilfe im Leben
Damit vollbringen sie etwas, das man eigentlich nur dem Bücherlesen nachsagt, nämlich eine Lebensstütze zu sein.
Oder, wie J. M. Coetzee es seiner Protagonistin Elizabeth Costello in den Mund legt:
Ich will damit sagen, dass wir als Studenten mit unserer ernsthaften Lektüre nach Rat und Hilfe suchten, nach einer Orientierungshilfe in all der Ratlosigkeit. […]
aus: j. m. Coetzee: Elizabeth Costello
Wenn die humanistischen Wissenschaften überleben wollen, dann müssen sie auf diese Kräfte und auf diese Sehnsucht nach Orientierungshilfe reagieren: Eine Sehnsucht, die letztlich eine Suche nach Erlösung ist.
Insofern bekommt das Medium Buch ernsthafte Konkurrenz, was nicht heißen soll, dass es gänzlich sterben wird. Immerhin muss man einen Text zunächst schreiben, bevor er vertont werden kann. Bücher wird es also auch in Zukunft geben. Nur die Art, ein Buch zu konsumieren, wird sich wohl stetig verändern.
MM
Schreibe einen Kommentar