Was ihr verpasst habt

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Seltsam, aber wahr: Je älter ich werde, desto weniger verspüre ich das Bedürfnis, mich öffentlich mit persönlichen Gedanken zu Wort zu melden. Social-Media-Kanäle nutze ich deshalb überhaupt nicht mehr, um aus meinem Leben zu berichten. Vermutlich liegt das weniger am Alter als an der Erkenntnis, dass dort alles zu einem banalen Hintergrundrauschen verkommt. Bilder und (immer kürzer werdende) Captions wirken seltsam aus dem Kontext gerissen und scheinen nur zum sofortigen Vergessen in die Timeline gespült zu werden. Wenn ich aus meinem Bürofenster auf die belebte Kreuzung unter mir schaue und den Passanten beim Überqueren der Straße zusehe, kann ich mich bereits zwei Minuten später an keinen einzigen von ihnen mehr erinnern. Mein Hirn scheint beides als  gleichermaßen bedeutungslos einzustufen.

Wozu also posten?

Da blogge ich doch lieber – und stelle den ein oder anderen Sinnzusammenhang her, wenngleich euch der Inhalt meines heutigen Beitrags zunächst etwas wirr vorkommen dürfte, denn es hat sich Einiges angestaut. Der Einfach- und Faulheit halber packe ich mein Gedankenkarussell trotzdem in einen einzigen Post. Ich hoffe, ihr könnt mir folgen… 

Herbstluft genießen

Die vergangenen Wochenenden waren vollgestopft mit Ausflügen und Unternehmungen, eine erquicklicher als die andere. Gekrönt wurden unsere Outdoor-Aktivitäten mit einem Berlinbesuch am Samstag, wo wir durch die schönste ehemalige Buga spaziert sind, die ich kenne: Den Britzer Garten. Und dieser zeigte sich mal wieder von seiner schönsten Seite! Gerade im Herbst scheint die Natur noch einmal in die Vollen zu gehen:

Britzer Garten, Berlin, 2024
Im Britzer Garten

Vor allem Astern haben jetzt ihre Zeit. Wie ich an anderer Stelle schon einmal verbloggt habe, gehören Astern zu meinen Lieblingsstauden. Aus diesem Grund wollte ich mir noch einige von den hohen Sorten dazukaufen. Im einzigen (riesigen) Garten-Center weit und breit (für das ich eine Fahrt von 30 Minuten auf mich nehmen musste) waren sie schlicht nicht erhältlich. Nicht ausverkauft, sondern bewusst nicht ins Sortiment aufgenommen. Ich konnte es nicht fassen. Das hat mich so heruntergezogen, dass ich von nun an Pflanzen nur noch online bestellen werde. Scheiß auf die lokale Wirtschaft.

hohe Astern
Genau diese weißen, rosa und lila Astern wollte ich haben… Immerhin im Britzer Garten konnte ich sie bewundern.
Astern als Wegbegrenzung, Britzer Garten
Die niedrigen, wie hier im Bild, habe ich nämlich schon!

Ebenfalls zu den Herbstblühern zählen die Dahlien (siehe unten im Bild), obwohl sie bereits im Sommer anfangen, zu blühen.

ungefüllte Dahlien im Oktober
Selbst die ungefüllten Dahlien im Britzer Garten sehen ganz famos aus.

Der einzige Nachteil, den Dahlien mit sich bringen, besteht in ihrer mangelnden Frosthärte. Wer keinen kühlen, aber dennoch frostfreien Ort hat, um ihre Wurzelknollen einzulagern, muss sie jedes Frühjahr neu kaufen.

Ich habe mich diesmal an das Dahlien-Experiment gewagt und sie in einen (sehr großen) Blumenkübel gepflanzt. Zunächst sind sie dort auch gut angewachsen, später sind sie jedoch alle umgeknickt und hängen mittlerweile so durch, dass ihre Blüten nur wenige Zentimeter über dem Boden hängen. Falls sie den Winter überleben, fliegen sie nächstes Frühjahr raus.

Nach unserem Spaziergang durch den Britzer Garten wollten wir Berlin auch noch von seiner urbaneren Seite erleben und haben uns zum Festival of Lights in die Stadtmitte begeben. Bis es anfangen sollte, mussten wir allerdings noch eine Stunde totschlagen. Also sind wir zu Hugendubel rein und haben uns Postkarten angeschaut, von denen es dort so viele gibt, dass ich auch locker zwei Stunden hätte bleiben können!

Albrecht Dürer Fledermaus
Diese süße Fledermaus hat sofort ein Lächeln auf meine Lippen gezaubert.

Gefunden habe ich dieses neckische Exemplar, übrigens ein Werk Albrecht Dürers. Wer weiß, ob die Fledermäuse im Mittelalter tatsächlich so wohlgenährt aussahen oder dies nur Dürer’s Fantasie entsprach?

Sie erinnert zudem an ein bevorstehenden Event: Halloween! Und weil zumindest meine Tochter und ich Halloween lieben, haben wir am Wochenende auch noch einen Kürbis geschnitzt. Das geht uns mittlerweile so leicht von der Hand, dass wir keine halbe Stunde mehr dafür benötigen. Logisch, dass Kürbissuppe ebenfalls auf dem Speiseplan stand. Das ist allerdings TikTok zu verdanken, dem Manipulator aus Fernost, der meiner Tochter diesmal immerhin ein ganz praktisches Verlangen ins Hirn projizierte: Sie kochte die Suppe höchstselbst!

Brandenburger Tor zum Festival of Lights 2024 in Berlin

Am Brandenburger Tor angekommen, mussten wir feststellen, dass sich das Festival of Lights ganz schön verändert hat, seit wir es uns das letzte Mal (vor ca. 13 Jahren) angeschaut haben. Damals wurden die Gebäude nur bunt angestrahlt. Kaum jemand war unterwegs, um sich das anzuschauen. Mittlerweile liefen fast überall Videoinstallationen. Und diese Menschenmassen! Unter den Linden hatte man dafür extra für den Verkehr gesperrt.

Gefallen hat es uns trotzdem, vor allem weil überall Bands, Sänger*innen und andere Musiker*innen spielten. Es war wie ein Freiluftkonzert mit superbunter Videoshow. Und das alles gratis! Wow.

Hotel de Rome, Berlin, Festival of Lights 2024

Geradezu sieht man das Hotel de Rome. Und obendrauf gibt’s eine Rooftop Bar. Ist bestimmt total etepetete, aber was für eine Location! Vielleicht kann ich meinen Mann ja irgendwann überreden, unseren Hochzeitstag dort zu feiern 🙂 Zum Glück gibt’s auch günstige Alternativen: Auf dem Dach des Humboldt-Forums befindet sich ebenfalls ein Restaurant mit atemberaubender Aussicht.

Humboldt Forum 2024
Hier haben wir das Humboldt-Forum, zumindest eine Seite davon.

Berlin hat uns diesmal also ziemlich geflasht. Wenn ich dazu einen Soundtrack in meinen Blog einbinden könnte, wäre er vom Berliner Sänger/Rapper Apsilon, den ich dank einer kürzlich veröffentlichten Kritik im Tagesspiegel entdeckt habe und nun rauf und runterhöre, was meine Tochter total peinlich findet („Uäh, Mama hört Gangstarap, was ist los mit der???“). Tsss, als gäb’s dafür ein Maximalalter! Hört mal rein – klingt nicht nur gut, sondern schult auch den Geist. Denn hier gibt mal ein Künstler mit sogenanntem Migrationshintergrund seinen Standpunkt zur Migrationsdebatte wider: Apsilon – Koffer – (Official Video | Prod. Bazzazian, Arman & Ralph Heidel) (youtube.com) Die Stimmen derer, die dieses Thema besonders betrifft, hört man leider viel zu selten. In Brandenburg eigentlich nie. 30% haben bei der vergangenen Landtagswahl für die AfD gestimmt. Erwartungsgemäß. Ich habe mich schon so sehr daran gewöhnt, dass ich mich nicht mehr darüber aufrege.

Immerhin: Die vielen Berliner, die in den vergangenen Jahren „aufs Land gezogen“ sind, haben die Rechten um den Wahlsieg gebracht.

Zu guter Letzt noch eine Serien-Kritik…

Aufgeregt habe ich mich stattdessen über eine Serie namens „Shameless“!:

Auf Grund meiner Lamenti darüber, keine sehenswerte Serie mehr zu finden, hat meine Tochter mir eine ihrer Lieblingsserien empfohlen, die ich mir danach pflichtschuldig reingezogen habe: Shameless. Diese Serie hat es schon auf 11 Staffeln geschafft, an mir ist sie trotzdem spurlos vorbeigegangen. Meine Bubble ist erstaunlich undurchlässig.

Wäre “Shameless” keine Empfehlung aus Töchterchen’s Mund gewesen, hätte ich nach einer Folge bereits mein Urteil gefällt, das es nicht zugelassen hätte, auch nur eine Minute mehr davon zu konsumieren. Nun bin ich – sage und schreibe – bei Staffel 2 angelangt, und bleibe auch weiterhin dran. Obwohl die Serie nicht wirklich meinen Nerv trifft, entwickelt sie Suchtcharakter, was vermutlich dem menschlichen Voyeurismus geschuldet ist. Und wie das bei solchen Serien ist, wächst einem doch der ein oder andere Protagonist ans Herz (bei mir ist es Kevin). 

Außerdem habe ich immer noch keine Alternative gefunden, seufz.

Darum geht’s:

Porträtiert wird eine Familie, bestehend aus einem Alkoholikervater, sechs Kindern und einem Nachbarpärchen, das ihnen stets helfend unter die Arme greift. Auf Grund von Arbeitslosigkeit bzw. schlecht bezahlten Jobs gehören sie alle dem prekären Milieu an: 

Prekäres Milieu: Die um Orientierung und Teilhabe bemühte Unterschicht: Dazugehören und Anschlusshalten an den Lebensstandard der breiten Mitte – aber Häufung sozialer Benachteiligungen und Ausgrenzungen; Gefühl des Abgehängtseins, Verbitterung und Ressentiments; Selbstbild als robuste Durchbeißer. 

Trotzdem werden die Charaktere als listig-schlaue Stehaufmännchen präsentiert, die nie um eine Antwort verlegen sind und ihr Schicksal mühelos selbst in die Hand nehmen. -Nicht nur weil sie überdurchschnittlich intelligent sind, sondern auch schön wie Supermodels und Allzeit bereit für einen Fick. Brüste und Penisse sieht man in Shameless öfter als bei Game of Thrones – und das muss man erstmal hinkriegen, ohne als pornografisch eingestuft zu werden!  

Klar, kann man Armut, Alkoholismus, Prostitution, Kriminalität und Asozialität mit Humor nehmen, aber – und das wurmt mich noch immer – sollten sie nicht derart verharmlost werden wie in Shameless. Kein Geld zu haben, sei doch gar nicht so schlimm, lernt der Zuschauer, man müsse sich nur zu helfen wissen. Aha.

Für jemanden, der tatsächlich in prekären Verhältnissen lebt, sich von einem miesen Job zum nächsten hangelt, und am Ende des Monats trotzdem zur Tafel gehen muss, weil das Geld für Lebensmittel nicht ausreicht, dürfte sich diese Serie wie ein Schlag ins Gesicht anfühlen.

Menschlicher: Rain Dogs

Von derlei Klischees lebt zwar auch die britische Serie “Rain Dogs”, doch ihr Blick auf ein Leben in prekären Verhältnissen gestaltet sich dennoch umsichtiger. Dabei wollten die Macher ausdrücklich keine Serie über das Thema Armut machen, sondern eine ungewöhnliche Liebesgeschichte erzählen: zwischen einer alleinerziehenden Mutter, die davon träumt, ein Buch zu schreiben, sich bis dahin aber mit Gelegenheitsjobs über Wasser hält, und einem schwulen Mann, der reich geerbt hat.

Dennoch weisen beide Serien viele Parallelen auf. Auch Costello Jones, die Protagonistin von Rain Dogs, ist ein Stehaufmännchen, das ihr Schicksal mit Humor erträgt, doch die steten Sorgen hinterlassen Spuren. Und egal wie sehr sie sich müht, die Armut bleibt ein Anker, der sie fest am Boden hält, vor allem aber ihren Durchbruch als Schriftstellerin verhindert. Ihr Freund Florian Selby hingegen findet immer einen Weg aus der (selbst verursachten) Misere. Wer Geld hat, hat Optionen. 

Ich kann keine der beiden Serien uneingeschränkt empfehlen, aber immerhin habe ich mich von “Rain Dogs” weniger verarscht gefühlt. Außerdem möchte ich viel lieber und häufiger Schauspielerinnen wie Daisy May Cooper als Costello Jones auf dem Bildschirm sehen, die sich nicht dem gängigen Schönheitsideal unterwerfen. Einem Ideal, dem übrigens weniger als 20% der hiesigen Frauen entsprechen, und dem trotzdem die meisten verzweifelt nacheifern. Auch wegen Serien wie Shameless, wo eine rehäugige Schönheit zehn Jobs und die Erziehung ihrer fünf Geschwister auf sich nimmt, aber nie auch nur einen Pickel im Gesicht hat, geschweige denn Augenringe oder gar Fettpölsterchen.

Wenn ich so darüber nachdenke, widert mich Shameless sogar an, enthüllen die Macher der Serie doch ein wahnsinnig eindimensionales Bild von der Unterschicht, das Klaus Wowereit, ehemaliger Bürgermeister von Berlin, einst auf den Punkt brachte, als er von der Hauptstadt sprach: arm, aber sexy.  

Unterhaltsam ist Shameless trotzdem, Berlin sowieso.

MM

Titelbild: Britzer Garten


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1 Kommentar

  1. Queen All

    Keine Astern im Gartencenter – das geht ja gar nicht. Wobei ich Pflanzen dann doch lieber vor Ort einkaufe, da sehe ich, was ich bekommen. Für einen Ausflug ist Berlin leider zu weit entfernt, aber für die Tour in die nächste Gärtnerei reichts. Wobei solche Veranstaltungen meist an mir vorbei gehen und ich immer erst hinterher davon höre. Manchmal lebe ich schon ganz schön hinterm Mond! Daher habe ich auch von den Serien nie gehört. Es gibt auch echt wenig, das ich uneingeschränkt weiter empfehlen würde – und ich habe da wohl eh einen eigenartigen Geschmack (z.B. humorige Zombieserien wie Z-Nation). Wenn mich eine Serie ärgert, dann muss ich sie auch (nicht mehr) zu Ende schauen. Ein sicheres Zeichen für zu wenig Unterhaltungswert ist es, wenn ich vor dem Fernseher einschlafe…was gerade bei fast jeder Serie passiert 🙄
    Liebe Grüße!

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