Seit einer Woche besucht mich beinahe täglich ein ziemlich keckes Rotkehlchen. Es setzt sich immer auf den Rand des Blumentopfs auf meiner Fensterbank und schaut mich aus seinen schwarzen Augen durch die Fensterscheibe an.
Einmal saß es ganz bewegungslos auf dem Fensterbrett. Da bin ich hinausgegangen, habe meine Hand nach ihm ausgestreckt und sein Gefieder berührt – und es ist trotzdem nicht weggeflogen. Nicht gleich jedenfalls. Dass es keine Angst vor mir hatte, fand ich wirklich erstaunlich.
Momentan lese ich Carlo Strenger’s „Die Angst vor der Bedeutungslosigkeit“, das ich euch in Gänze vorstelle, sobald ich es durchgelesen habe. Doch ich habe eine Seite gefunden, die ich euch jetzt schon zeigen möchte, weil ich den Grundgedanken, der dort formuliert wird, genauso erstaunlich finde wie mein Rotkehlchen.
Na, was denkt ihr, wann dieser Text zum ersten Mal veröffentlicht worden ist?:
Sie haben gelernt, Wissen kritisch zu bewerten, und es ist selbstverständlich für sie, zu überprüfen, ob eine Informationsquelle verlässlich ist oder nicht.
Aber es scheint, dass viele von ihnen nur wenig Interesse haben, diese Methoden auch dann anzuwenden, wenn es um Fragen der Weltanschauung geht.
Warum verkaufen hervorragend ausgebildete Leute ihren Intellekt an Rattenfänger, die ihnen Trost und Beruhigung auf niedrigster intellektueller Ebene anbieten?
Hmmm, woran erinnert mich das nur? -Doch nicht etwa an die gegenwärtige Situation, die uns sehr klar vor Augen führt, dass auch vermeintlich intelligente Menschen Aluhüte tragen?!
Der Text aus dem Jahre 2011 bezieht sich allerdings auf ein ganz anderes Thema, nämlich die New-Age-Bewegung. Es gab Anfang des 21. Jahrhunderts wohl mal eine riesige Welle selbsternannter spiritueller Gurus, die zweifelhafte Glücksratgeber schrieben. Deren Weisheiten wurden vor allem von AkademikerInnen begierig aufgesogen und bescherten den Büchern der Gurus Millionenauflagen – und entsprechende Einnahmen.
Ziemlich harmlos, verglichen mit den Querdenkernscheißern heutzutage. Obwohl diese bekanntlich auch von Esoterikern flankiert werden. „Absurde, irrationale und von Ignoranz geprägte“ Ansichten sind nach wie vor in Mode. Damit schließt sich der Kreis also. Strenger ist bestimmt nicht überrascht.
Die von ihm selbst aufgeworfenen o.g. Fragen beantwortet der Psychoanalytiker übrigens in seinem Buch. Dazu mehr in meiner Rezension… später. 🙂
MM
Apropos Aluhüte: Seit Kurzem kann man eine witzig-ironische Zeichentrickserie, die Verschwörungstheoretiker aufs Korn nimmt, bei Netflix streamen: Inside Job! Sollte man sich schon deshalb gönnen, weil es Menschen gibt, denen man einfach nur mit Humor begegnen kann (wenn man seine eigene psychische Gesundheit schonen will).
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