Heute Morgen wollte ich mit unserem Hund Maggie Gassi gehen, was daran scheiterte, dass mir der Hund ausgebüxt ist, als ich die Tür öffnete.
Offensichtlich wollte er meiner Tochter zur Schule nachlaufen, doch die war längst weg. Er verlor ihre Spur, rannte auf die Straße und wurde fast von einem Auto überfahren. Der Fahrer stieg aus, sammelte den Hund ein und setzte ihn auf den Beifahrersitz. In dem Moment haderte ich kurz. Einerseits war ich froh: Ein Fremder schnappt sich den Hund und ich bin das Vieh für immer los! Ich konnte mein Glück kaum fassen. Dann aber dachte ich an meine Tochter: Wie traurig sie wohl wäre, wenn der Hund sie nachmittags nicht mehr am Tor empfangen würde… Also lief ich schnell zu besagtem Auto und sprach den Mann an, klärte ihn auf, dass das mein Hund ist, und bekam ihn wieder. Aber glücklich war ich nicht darüber.
Immerhin: Mein schlechtes Gewissen gegenüber Kind und Gatten hätte mich mit Sicherheit noch mehr runtergezogen als mich mit dem Hund zu arrangieren.
Ach ja, der Hund, das stinkende Tier. Gutmütig ist er ja, freut sich jeden Morgen wie Bolle, wenn er uns sieht. Aber machen wir uns nichts vor – er freut sich nur, weil wir ihn füttern. So etwas wie Liebe oder Zuneigung empfindet er nicht. Soweit ich das beurteilen kann, ist so ein Tier frei von jedweden Gefühlen. Steuern lässt es sich nur von seinen Trieben.
Okay, ich empfinde ja auch keine Liebe für den Hund, aber ich hatte die Erwartung, dass sie noch entstehen würde. Dass ich mich an den Hund gewöhnen und ihm letztlich – nun ja – wenigstens in Sympathie verbunden wäre. Aber offenbar entsteht so ein “vibrierender Draht” nicht mehr, wenn man erwachsen ist.
Ich nehme ihn trotzdem gern mal in den Arm und halte ihn wie ein Baby. Dann guckt er mich mit seinen großen braunen Augen an, wirklich herzallerliebst. Aber im nächsten Moment furzt er und es stinkt so bestialisch, dass mir die Tränen in die Augen schießen. An den Gestank muss ich mich noch gewöhnen, denn selbst wenn der Hund nicht furzt, hinterlässt er seine „Wohlgerüche“, reibt sein Hinterteil auf dem Sofa ab, sabbert auf ebendieses, verteilt Essensreste. Hin und wieder hat er Verdauungsprobleme und kackt ins Haus, vornehmlich auf seine Matratze, die Herrchen dann reinigen darf… Und seine vielen Haare erst, die man plötzlich überall findet: auf dem Boden, dem Tisch, in der Müslischale. Ich stabsauge jetzt beinahe täglich.
Oder er schleckt sich laut schmatzend die Möse, vornehmlich wenn wir unsere Mahlzeiten einnehmen. An einem dieser Tage, an dem ich den Hund gerade besonders gern hatte, streichelte ich ihm wohlwollend den Rücken, um kurz darauf festzustellen, dass er sich zuvor in Scheiße gewälzt hatte, die nun an meiner Hand klebte. Apropos Scheiße, die frisst er für sein Leben gern. Natürlich nicht seine eigene (das wäre ja mal ausgesprochen effizient), sondern die von anderen Hunden. Kommentar des Tierarztes: Nun denn, er hält sein Revier sauber. Ja, man kann es auch positiv sehen. Einen Hund zu haben, ist aber vor allem eines: Verdammt eklig.
Doch es gibt auch einen nicht zu verachtenden menschlichen Aspekt der Hundehalterei: Man kommt mit Leuten in Kontakt. Und komischerweise sind diese Leute immer superfreundlich, fast schon zu nett um wahr zu sein. Ich glaube, ich bin in den vergangenen drei Monaten mit mehr Leuten ins Gespräch gekommen, als in den fünf hundelosen Jahren zuvor. Offenbar herrscht so etwas wie ein unsichtbares Band zwischen Hundebesitzern. Man schätzt sich gegenseitig, selbst wenn der ein oder andere Hund (unserer zum Beispiel) schlecht erzogen ist.
Anders als Kinder, verfügen Hunde nicht über irgendwelche versteckten Potentiale oder außergewöhnlichen Talente, die sich später einmal in Form einer lukrativen Karriere auszahlen werden. Man braucht sich also nicht zu schämen, wenn der eigene Hund einfach nur dumm ist (so wie unserer), aber immerhin verspielt und fröhlich. Die Messlatte, einen Hund zu mögen, hängt wirklich tief. Sehr viel niedriger im Übrigen, als einen Menschen zu mögen. Umgekehrt gibt auch niemand mit seinem Hund an. Hundebesitzer konkurrieren nicht miteinander.
Es gibt natürlich Ausnahmen, die Dressur-Extremisten unter den Hundehaltern sozusagen. Deren Vierbeiner folgen etlichen unterschiedlichen Befehlen, die oft nicht einmal verbal geäußert werden müssen. Eine Kopfbewegung inklusive bösem Blick genügt. Sie sind – vermutlich zu recht – sehr stolz auf ihre Erziehungsleistung, was sie uns jedoch nicht direkt sagen. Sie rollen lediglich genervt mit den Augen, wenn unser Hund sie wieder einmal anspringt, und zeigen dann mit Gesten, wie gut ihr Bello gehorcht.
Die meisten Hundebesitzer aber erfreuen sich am Tier, selbst wenn es nicht ihr eigenes ist. Unser Hund zum Beispiel wird ständig über den grünen Klee gelobt. Sein Anblick versetzt die Leute regelrecht in Entzücken. Ich weiß gar nicht, was ich erwidern soll. Irgendein lobendes Wort zum Hund meines Gegenübers wäre sicherlich angebracht, obwohl ich dafür viel Phantasie aufbringen muss. Schließlich mag ich keine Hunde (außer vielleicht diese kleinen Chihuahuas, weil sie nicht aussehen wie Hunde). Pflichtbewusst tätschele ich dann aber trotzdem das Hundefell und sage sowas wie: “Oh, was ein lebhaftes Kerlchen!”. Und so gehen wir lächelnd unserer Wege, jeder ein bisschen zufriedener als zuvor.
Diese Momente rufe ich mir ins Gedächtnis, wenn ich Maggie mal wieder am liebsten an der nächstbesten Autobahnraststätte aussetzen würde. Und es hilft. Doch, man kann sich mit so einem Vierbeiner arrangieren. Es wäre zwar noch schöner, wenn er die Lebenserwartung eines Meerschweinchens hätte, aber – nun ja – das wäre natürlich zu viel verlangt.
MM
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