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Ich komme mir ein bisschen vor wie die Feldmaus Frederick, die den ganzen Sommer über Geschichten sammelt, damit sie ihre Mäusefamilie während der grauen Wintertage mit Seelennahrung versorgen kann.

Auch ich habe Geschichten gesammelt, allerdings eher aus der Not heraus, denn ich habe einfach keine Zeit gefunden, sie zu Papier zu bringen. Den Anfang macht – endlich – meine Schilderung der Oder-Neiße-Radtour, die wir Anfang Juli unternommen haben.

Warum gerade dieser Radweg?

Ich hatte schon lange vor, eine mehrtägige Radtour in Angriff zu nehmen. Dabei war mir vor allem wichtig, dass die Radtour in unserer Region liegt. Wir wollten die Räder nicht mit dem Auto transportieren. Daher kam nur die Anfahrt per Bahn in Frage.

Oder Neiße Radweg Erfahrungen
Einziger See auf der Strecke: der Berzdorfer See (gefluteter Braunkohletagebau) südlich von Görlitz

Der Oder-Neiße-Radweg führt von Nova Ves in Tschechien (Quelle der Neiße) bis nach Ahlbeck auf Usedom, und zwar immer an den Flüssen Neiße und Oder entlang. Wir hingegen sind in Görlitz gestartet und bis nach Frankfurt/Oder gefahren. Dafür haben wir eine knappe Woche gebraucht.

In Görlitz haben wir allerdings zwei Tage Station gemacht, weil es dort so viel zu sehen gab. Wichtig war mir darüber hinaus, dass der Radweg kaum Höhenunterschiede aufweist, ein Kriterium, das der Oder-Neiße-Radweg auf diesem Abschnitt erfüllt.

Einsam selbst in der Hochsaison

Obwohl wir in den Sommerferien unterwegs waren, hatten wir den asphaltierten und supergut gepflegten Radweg die meiste Zeit für uns allein. Offenbar verirren sich nur ganz wenige Touristen in den äußersten Osten Deutschlands. Dabei hätte es landschaftlich kaum schöner sein können. Vor allem auf sächsischer Seite wechselten märchenhafte Wälder mit Auen und Flussniederungen, Städte wie Zittau und Görlitz sind ein Augenschmaus. Bis nach Bad Muskau (Weltkulturerbe dank des gleichnamigen Landschaftsparks) wurde es nie langweilig.

Bad Muskauer Park
im Landschaftspark Bad Muskau, der sich übrigens auch über die Grenze erstreckt, also zu zwei Dritteln auf polnischer und zu einem Drittel auf deutscher Seite besteht

In Brandenburg war es weit weniger abwechslungsreich. Und es wurde immer einsamer. Wenn man sich keinen Proviant mitgenommen hatte, wurde man unfreiwillig auf Diät gesetzt: Keine Supermärkte, Läden, Imbisse oder Restaurants. In einem kleinen Ort hatten wir Glück, dass gerade ein Bäckermobil vorgefahren kam. Dort deckten wir uns mit Kuchen ein, unser Mittagessen.

Aus dieser Einsamkeit ragte einmal wie aus dem Nichts ein recht großer Vergnügungspark heraus. Wir fuhren wieder mal ganz allein und nichtsahnend durch einen Wald – und plötzlich tauchte er wie eine Fata Morgana vor uns auf. Das war, ohne zu übertreiben, ein Alice-im-Wunderland-Moment. Sehr, sehr merkwürdig. Und obwohl dieser Freizeitpark eher Kinder ansprach, servierten sie das beste Bier, das mein Mann auf der gesamten Radtour erstehen konnte (er probiert sich in jedem Urlaub durch lokale Spezialitäten).

Was mir bis zur Radtour gar nicht bewusst gewesen ist: Neben Frankfurt/Oder gibt es viele weitere Städte und Dörfer, die durch die deutsch-polnische Grenze geteilt sind. Und diese Gemeinden sind ebenfalls mit Brücken über Oder und Neiße miteinander verbunden, so dass man sehr oft Abstecher nach Polen machen kann. Gefallen hat es mir auf polnischer Seite zwar selten: Entweder es dominierten die berühmtberüchtigten „Polenmärkte“ (kotz-würg) oder graue Tristesse in Form uralter Plattenbauten (besonders krass im polnischen Pendant zu Görlitz – ein Unterschied wie Tag und Nacht). Doch so bekam die Radtour den besonderen Reiz, auch mal etwas Ungewohntes zu sehen.

Oder Neiße Radweg Erfahrungsbericht
Fabrikruine an der Oder

Was ich anders machen würde: Ein Fazit

Dieselbe Radtour würde ich nicht noch einmal in Angriff nehmen, weil ich sie jetzt ja bereits kenne – und sooo spannend war sie nun auch wieder nicht. Auch würde ich nicht von Frankfurt/Oder aus weiter gen Norden fahren, denn ich befürchte, dass sich die Landschaft einfach nicht mehr großartig verändert.
Wenn ich jedoch ein E-Bike hätte, würde ich von Görlitz bis zur Neiße-Quelle in Tschechien radeln. Der Radweg dürfte dann immer hügeliger werden, was landschaftlich sehr reizvoll ist, aber meine Fitness überstrapaziert.

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Falls wir wieder einmal eine längere Radtour unternehmen sollten, würde ich auch nicht vorher schon alle Unterkünfte buchen, sondern spontan Übernachtungsmöglichkeiten suchen. Beim Oder-Neiße-Radweg wäre das ein Leichtes gewesen: Freie Pensionen und Hotelzimmer ließen sich eigentlich überall am Wegesrand finden. Wir hatten stattdessen das Problem, dass wir oft schon zwei Stunden, bevor wir an unserer jeweiligen Unterkunft ankamen, total erschöpft waren. Die letzten zwei Stunden verliefen also ziemlich… qualvoll. Es macht eben doch einen Unterschied, ob man hin und wieder eine Stunde radelt – oder jeden Tag den ganzen Tag.

Zu guter Letzt ein Blick auf die Verkehrsanbindung: Es macht natürlich keinen Sinn, mit dem Auto anzureisen, weil der Oder-Neiße-Radweg keine Rundtour ist. Man kommt also nicht zum Ausgangspunkt zurück.

Wir haben von Berlin aus verschiedene Züge genommen und – was soll ich sagen? – die Anbindung hätte kaum schlechter sein können. Als wir unsere Radtour geplant hatten, war von der Einführung des 9-Euro-Tickets noch keine Rede gewesen. Der Fahrplan sah gut aus. Als es losgehen sollte, wurde er jedoch komplett über den Haufen geworfen – und die meisten Verbindungen spontan einfach gestrichen (wegen Bauarbeiten…). Wenn ihr mit der Bahn verreisen wollt, bringt es also nichts, euch vier Monate im Voraus eine Verbindung herauszusuchen. Macht das am besten 24 Stunden vorher.

MM


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