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Rezension des Romans „Luisa“ von Paula Fox

Schon lange habe ich kein Buch mehr gelesen, das so spannend war wie Paula Fox’ “Luisa”. Geschildert wird darin das Leben der titelgebenden Protagonistin, Tochter einer Küchenhilfe und eines Abkömmlings einer reichen Plantagenbesitzerin, mit der er jedoch bricht.

Die kleine Familie beschließt, der karibischen Heimat den Rücken zu kehren und in Amerika ihr Glück zu versuchen. Sie landen in einem armen Viertel New Yorks, wo Luisas Mutter nie Anschluss findet. Schon wenige Jahre später stirbt sie an Krebs, wohl eine Folge des Kummers und der Verbitterung. Ihr Vater findet nach einigen Anlaufschwierigkeiten schließlich einen Job als Verkäufer in einem kleinen Delikatessengeschäft. Glücklich wird auch er nie. 

Luisa selbst bricht die Schule ab und arbeitet von ihrem 16. Lebensjahr an als Haushaltshilfe für Familien der gehobenen Mittelschicht. Von da an ändert sich kaum etwas in ihrem Leben, was das Buch von Paula Fox umso rätselhafter erscheinen lässt, denn es bleibt trotz der vermeintlichen Ereignislosigkeit stets interessant. Tatsächlich konnte ich es kaum aus der Hand legen und habe die 439 Seiten deshalb im Nu durchgelesen. 

Das liegt zum einen am herausragenden Schreibstil der Autorin, die selbst in New York geboren und aufgewachsen ist. Zum anderen hatte ich als Leserin das Gefühl, Fox werde dem Leben ihrer Protagonistin doch noch eine überraschende Wendung geben. Im Dunklen blieb bis zum Schluss allerdings, welche.

Luisa stellt ihre Berufung zur Dienerin (Im Original heißt der Roman “A Servant’s Tale”) nie in Frage, obwohl es ein harter und vor allem schlecht bezahlter Job ist. Rückblickend bezeichnet sie ihre Arbeit als Knechtschaft und tatsächlich kann man erst nach der Lektüre wirklich verstehen, woher der Begriff Lohnsklave kommt. Natürlich kann sie es sich nicht leisten, Urlaub zu nehmen, denn wenn sie nicht arbeitet, bekommt sie auch kein Gehalt. Gleiches gilt für Krankheitstage. Trotz ihres entbehrungsreichen Alltags bleibt am Monatsende kaum Geld übrig. Sie lebt armselig, kleidet sich armselig, stellt ihre Armut jedoch nie in Frage.

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Erst als Luisa 50 ist, kündigt sie alle ihre Putzstellen. Ermöglicht wird es ihr durch eine kleine Erbschaft, die ihr ein kürzlich verstorbener ehemaliger Kunde vermacht hat. Damit erfüllt sie sich einen Lebenstraum: Sie kehrt zurück in ihre alte Heimat. Erst jetzt wird klar, dass sie ihr ganzes Leben lang auf diesen Moment hingearbeitet hat. Luisa hat nicht gelebt, sondern gewartet.

Als sie schließlich auf dem Flughafen von San Pedro ankommt und von dort aus in ihr kleines Heimatdorf im Hinterland fährt, muss sie allerdings erkennen, dass sich in den 40 Jahren ihrer Abwesenheit viel verändert hat. Von ihrer geliebten Großmutter fehlt jede Spur, die alten Häuser stehen nicht mehr. Auch die Zuckerrohrfelder sind verschwunden. Sie kennt im Ort niemanden mehr, bis auf eine alte Hexe, vor der sie schon in ihrer Kindheit angewidert geflohen ist. Bald findet sie kaum mehr Kraft, aus dem Bett der kleinen Pension aufzustehen, so enttäuscht ist sie. Doch es ist eben diese Enttäuschung, die es ihr ermöglicht, mit ihrer Vergangenheit abzuschließen und ihrem Leben in den USA eine neue Richtung zu geben. 

Als der Roman 1984 herauskam, wurde er mit gemischten Gefühlen aufgenommen. Einige Rezensenten beklagten, dass die Protagonistin nichts aus sich gemacht habe. “Luisa” steht der uramerikanischen Erzählung, dass es in den USA einfach jeder schaffen könne, wenn er sich nur anstrenge, diametral entgegen. Weder für Luisa noch für ihre Familie erfüllt sich trotz harter Arbeit der American Dream. Und sie stehen exemplarisch für so viele Millionen Einwanderer, die Jahr für Jahr (nicht nur) in dieses verheißungsvolle Land pilgern.

MM


Die Schriftstellerin Paula Fox hatte übrigens ein sehr viel ereignisreicheres Leben als ihre Protagonistin Luisa. Von ihren Eltern nicht gewollt, wurde sie schon wenige Tage nach der Geburt in ein Waisenhaus gegeben. Einige Monate später wurde Fox von einem angehenden Pastor adoptiert und wiederum fünf Jahre später von ihrem leiblichen Vater nach Kalifornien geholt, um sie wenig später an eine fremde Familie abzugeben, an die sich Fox in ihrer Autobiografie „In fremden Kleidern“ kaum erinnern kann.

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Als sie neun Jahre alt ist, kommt ihre leibliche Großmutter, um sie nach Kuba zu holen, wo sie nur ein Jahr lang lebt, bevor es wieder nach New York zurückgeht. Und das ist immer noch nicht die letzte Station der später so berühmt werdenden amerikanischen Autorin.
Mit 20 Jahren bringt sie ihr erstes Kind zur Welt, ein Mädchen, das sie zur Adoption freigibt und erst 40 Jahre später wiedersieht. Da ist ihre Tochter längst selbst Mutter geworden, unter anderem von Courtney Love


Beitragsbild von The New York Public Library


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