Familienfeiern überstehen

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Was hilft beim Umgang mit schwierigen Verwandten?

Mir graut schon jetzt vorm 65. Geburtstag meiner Schwiegermutter. Den will sie nämlich ganz groß feiern – mit allen ihren Lieben, Freunden und Verwandten. Gezwungenermaßen gehöre ich auch dazu. Also kann ich der Feier nicht fernbleiben. Dabei bin ich mir sicher, dass meine Schwiegermutter keinen Wert auf meine Anwesenheit legt. Die Aversion beruht übrigens auf Gegenseitigkeit.

Sie erkennt nicht, wenn sie zu weit geht. Und sie geht ständig zu weit. Im Fachjargon würde man ihr Verhalten als übergriffig und grenzverletzend bezeichnen. Trotzdem (oder gerade deshalb) ist sie damit so erfolgreich, dass sie ihre gesamte Familie dominiert. Meine Schwiegermutter ist sozusagen die unangefochtene Königin des weitverzweigten Familienreiches, alle anderen nur niederes Fußvolk.

Eigentlich mag ich Familienfeiern ja – die meiner eigenen Familie. Hier muss ich mich nicht erklären, meine Leute wissen, wie ich ticke. Und ich weiß, wie Mutter, Vater, Tanten, Onkels und die lieben Großeltern drauf sind. Meistens geht es lustig zu. Niemand muss sich verstellen.

Ein Vortäuschen falscher Tatsachen

Verstellen muss ich mich hingegen, wenn ich auf die Familie meines Mannes treffe, vor allem in Gegenwart meiner psychopathischen Schwiegermutter. Für ein, zwei Stunden funktioniert das auch ganz gut. Ich tu so, als sei ich gesellig, und sie tut so, als sei sie normal. Und beide tun wir so, als schätzten wir einander sehr. Doch eine ganze Familienfeier lang den Schein aufrechtzuerhalten, ist kräftezehrend, um nicht zu sagen hoffnungslos. Es ist nur eine Frage der Zeit, wann die Fassade bröckelt und die wahren Gefühle hervorbrechen. Schon so manches Mal sind wir uns an die Gurgel gegangen. Dabei habe ich sie nicht einmal provoziert, lediglich kritisiert – und das zu Recht, wie ich finde. Nun, mir wurde klar, dass sie eines nicht ausstehen kann: Kritik.

Dann wären da noch die restlichen Familienangehörigen, die meine Schwiegermutter entweder bewundern – oder finanziell von ihr abhängig sind. Beiden ist gemein, dass sie sich der Matriarchin ergeben zu Füßen werfen. Ihre Unterwürfigkeit mutet geradezu grotesk an. Dabei kann ich sie durchaus nachvollziehen: Niemand will den Unmut ihrer Majestät auf sich ziehen und damit einen handfesten Streit vom Zaun brechen. Ja, sie hat ihre Untertanen fest im Griff.

Denn allesamt sind wir konfliktscheu und gefallsüchtig und damit ein gefundenes Fressen für jemanden, der es weiß, Menschen zu manipulieren. 

Wer erträgt es schon, nicht gemocht zu werden?

Dabei wäre ich viel lieber wie mein Schwager. Was andere von ihm denken, ist ihm wurscht. (Viele behaupten dasselbe von sich, aber bis auf meinen Schwager kenne ich kaum jemanden, dem diese Gleichgültigkeit tatsächlich in Fleisch und Blut übergegangen ist.)  

Gerade auf Familienfeiern wird das deutlich: Wenn ihm das Essen nicht schmeckt, isst er es nicht. Auf Nachfrage antwortet er ehrlich, dass es ihm nicht schmeckt. Über Witze, die er nicht lustig findet, lacht er nicht. Nicht mal ein bisschen. Wenn sich alle einig sind, nimmt er sich heraus, anderer Meinung zu sein. Dabei bringt er seine Worte ganz unaufgeregt hervor, erhebt nie die Stimme oder wird ausfallend. Wenn ihm das Gequatsche zu viel wird, verabschiedet er sich in die Raucherpause. Diese kann bis zu einer Stunde dauern. Er muss nicht kungeln, denn er braucht keine Verbündeten, die ihm den Rücken stärken. Deshalb braucht er auch nie Partei zu ergreifen und sich auf eine Seite zu schlagen. Er weiß eben, dass er auch allein klar kommt. 

Das alles hat ihn über die Jahre immer unbeliebter gemacht. Keiner mag ihn (außer meine Schwester, die ihn geheiratet hat), aber alle respektieren ihn.  

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Er hat sich eine geistige Unabhängigkeit bewahrt, die bei mir schon in Kindheitstagen flötenging. Ich war ein artiges, gehorsames, kleines Mädchen – und als Erwachsene hat sich daran nicht viel geändert.  

Alles halb so wild!

Ein einziges Mal trafen meine Schwiegermutter und mein Schwager aufeinander: Er war ihr sofort unsympathisch. Denn meine Schwiegermutter verwendet bei jedem Neuling denselben Türöffner: Sie schmeichelt ohne Ende und erklärt erstmal ihre bedingungslose Liebe. Dass sie damit bei meinem Schwager auf Granit gebissen hat (schließlich ist er unabhängig von Wertzuschreibungen von außen), muss sie sehr verärgert haben.

So richtig vorbildlich finde ich meinen Schwager trotzdem nicht. Er ist ein waschechter Egoist, dem die Gefühle seiner Mitmenschen weitestgehend egal sind. Wären alle so wie er, würden Familienfeiern gänzlich abgeschafft, denn jeder würde nur sein eigenes Ding machen. Dabei gehören derlei Festivitäten zu den einzig verbliebenen Möglichkeiten des Aufeinandertreffens mit meinen Schwiegereltern. Ansonsten gehen wir uns tunlichst aus dem Weg. Objektiv betrachtet, dürfte es daher völlig unproblematisch sein, ein solches Fest nicht nur zu überstehen, sondern auch zu genießen

Denn seien wir ehrlich: Derjenige, der ein Fest organisiert und ausrichtet, möchte bestenfalls sich selbst und seinen Gästen eine schöne Zeit bereiten. Insofern ist es völlig irrational, sich vor eventuellen Streits zu ängstigen. Die Gastgeberin ist schließlich daran interessiert, ihr Fest in guter Erinnerung zu behalten – und von ihren Verwandten weiterhin geliebt und bewundert zu werden.

Was lernen wir daraus für künftige Familienfeiern?

Deshalb gilt es für mich, tief durchzuatmen und einen Gang runterzuschalten: Alles halb so wild. Statt an den anderen herumzumäkeln, sollte ich lieber meine eigene Einstellung ändern. Dabei muss ich unbedingt die folgenden Verhaltensregeln im Hinterkopf behalten:

A) Die Gefallsucht abstellen

B) Sich selbst treu bleiben

C) Trotzdem höflich sein

D) Bloß niemanden kritisieren!

E) Lange Pausen machen, um in der Distanz Kraft zu schöpfen


Wird es einfach sein? -Natürlich nicht!

Vor allem Punkt A bereitet mir Kopfzerbrechen. Vielleicht könnte mir hier etwas Distanz guttun, indem ich mir zum Beispiel vorstelle, ich sei jemand anderes. Wie würde mein Schwager jetzt reagieren?, könnte ich mich hin und wieder fragen. Würde er breit lächeln und alles abnicken?

Zudem kann ich mich an meinen Kindern orientieren: Die hauen in der Regel einfach ab, wenn Oma nervt. Punkt E beherrschen sie bereits einwandfrei. 

Fazit: Das Ende ist in Sicht

Die Umsetzung von Punkt D wird vermutlich schwierig. Schließlich widerspricht dieser gewissermaßen Punkt B.

Zur Veranschaulichung ein Beispiel: Cousine X reist zusammen mit ihren drei hyperaktiven Rackern an. Da sie die Feier auch zur Erholung nutzen möchte, überlässt sie die Kinder sich selbst. Um zu verhindern, dass diese das Haus zerlegen, bestimmt die Gastgeberin einen Mann, der weder Verbündete noch Selbstbewusstsein besitzt, um mit den Kindern zu spielen/sie unterhalten. Er mag die Kinder jedoch überhaupt nicht, und hat darüber hinaus nicht die geringste Lust auf erzieherische Aufgaben. Allerdings hat er nicht den Mut, abzulehnen (deshalb wurde er ja auserwählt).
Wie kommt er aus der Sache raus (bleibt sich also selbst treu), ohne die Cousine oder die Gastgeberin zu verärgern? Soll er den Staffelstab einfach an ein anderes „Opfer“ weitergeben (vermutlich eine Frau mit sozialer Ader)?

Falls euch eine Lösung des Konflikts einfällt, freue ich mich über eure Kommentare unter diesem Beitrag! (Ein einfaches Nein, darauf hab‘ ich keine Lust genügt der Gastgeberin übrigens nicht – das nur als kleiner Hinweis…) 


Auch ein Familienfest geht zu Ende. Länger als einen Tag wird ohnehin nicht gefeiert, zumindest nicht in meiner Verwandtschaft. Das Ende ist also absehbar. Nach ein paar Stunden gehen wir wieder getrennte Wege. Und dann ist Erholung angesagt.


Afterparty Update

An der Scheinheiligkeit hat sich nichts verändert. Verändert hat sich allerdings mein Blickwinkel darauf. Er ist milder geworden, gleichgültiger. Ich rege mich nicht mehr darüber auf. Tatsächlich bin ich einfach nur froh, in Ruhe gelassen zu werden. Ändern kann ich meine angeheiratete Familie ohnehin nicht. Die Lüge ist ihr Schicksal – und meines, sie zu ertragen. Und je besser ich darin werde, desto mehr Sympathien schlagen mir entgegen. Ich spürte, wie dankbar und erleichtert meine Schwiegermutter war, dass ich ihr diesmal nicht den Spiegel vorgehalten habe. Ich war also das schwierige Familienmitglied, das es zu besänftigen galt, damit es ja keine Szene machte.

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Vielleicht wäre mir das gar nicht aufgefallen, hätte mich nicht kurz zuvor meine Schwester besucht. Meine Schwester ist ein extrem wahrheitsliebender Mensch – und wenn sie etwas absolut nicht ausstehen kann, dann ist es Klatsch und Tratsch hinter ihrem Rücken. Genau das hat sich allerdings angebahnt, als sie auf meinen Gatten stieß, der sich mal wieder auf seine superherzliche Art mit ihr unterhalten hat. Hinterher hat er natürlich trotzdem über sie gelästert. Es liegt einfach in seinem Naturell, hab mich längst dran gewöhnt. Blöd nur, dass sie es mitbekommen hat…

Ich konnte ihren Ärger verstehen, denn meine Schwester hat sofort begriffen und benannt, wie mein Mann und seine Sippe funktionieren: Sie sagen IMMER nur das, von dem sie glauben, dass es ihr Gegenüber gern hören will. Sie bieten dir niemals Paroli.

Dabei vergessen sie leider, dass ihnen die Chance auf spannende Gespräche entgeht, wenn man immer nur so tut, als sei man derselben Meinung. Sie können nie in die Tiefe gehen, weil sie zu sehr damit beschäftigt sind, zu antizipieren, was ihr Gegenüber wohl hören möchte. Letztlich – und das ist die eigentliche Crux an der ganzen Geschichte – erfahren sie also nie, was ihr Gegenüber WIRKLICH denkt, weil ein echtes Gespräch gar nicht entstehen kann. In diesem Sinne reden sie quasi immer nur mit sich selbst und lernen deshalb auch niemanden wirklich kennen.

Und trotzem können sie es sich nicht verkneifen, hinterher mit einem Verbündeten darüber zu tratschen, wie dumm und unzulänglich sie alle anderen finden.

Früher, ganz früher, quasi in einem anderen Leben habe ich mich – genau wie meine Schwester – extrem darüber aufgeregt. Keine Ahnung, was ich damit bezwecken wollte. Dass man mir stets und ständig sagt, was man WIRKLICH von mir hält? Das Lästern hinter meinem Rücken unterbinden? Vermutlich ging es mir ums Prinzip, von dem ich dachte, dass es universell sei, also für jeden gelte.

Mittlerweile habe ich erkannt, dass jeder seinen eigenen Prinzipien folgt, egal wie verlogen und falsch sie sein mögen. Nun, da ich mich damit abgefunden habe, dass ich niemanden von meinen Prinzipien überzeugen kann, bin ich weitaus besser drauf.

Dass man im Alter gelassener wird, stimmt also. Gelassener im Hinblick auf seine Mitmenschen, über deren Defizite man mehr weiß, als ihnen lieb sein kann. -Und die man trotzdem wertschätzt, weil sie mindestens genauso viele Stärken haben.

Ehrlich gesagt, ist dieser Blog manchmal ja auch nichts anderes als ein Lästerwerkzeug, dem ich mich bediene, um Dampf abzulassen. Wer von euch ohne Sünde ist, werfe den ersten Stein!

MM

Photo by Joyce Adams on Unsplash



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2 Kommentare

  1. Maria Mettermann

    Das Verhältnis zu meiner Schwiegermutter ist auch etwas schwierig, weshalb es an ihren Geburtstagen auch öfter zu Problemen kam. Mittlerweile hat es sich gebessert und ich gehe sogar gerne zu ihrem Geburtstag. Der nächste steht schon wieder an, weshalb ich nun erstmal Schnittblumen kaufen werde.

    • Miss Minze

      So eine Geburtstagsfeier ist ja zeitlich begrenzt und man kann ggf. auch früher gehen. Wenn meine Schwiegermutter Gastgeberin ist, ist sie ohnehin sehr beschäftigt. Und nun, da wir uns wirklich nur noch zu solchen Anlässen sehen, haben wir uns recht viel zu erzählen, so dass man etwaige Streitpunkte leicht umschiffen kann.

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