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Vor etwa zwei Monaten habe ich mich in „Rätselhafte Hinterwäldler“ einem Thema gewidmet, das mich beschäftigt, seitdem ich ins Berliner Umland gezogen bin: Wie Zugezogene von Ansässigen aufgenommen bzw. wahrgenommen werden. Damit meinte ich nicht nur Leute, die schon seit Generationen im selben Ort leben, sondern zudem all jene Einwohner, die sich bereits eingelebt haben und somit Teil eines Netzwerks geworden sind.

Da ich mir unsicher war, ob ich mit meinen Gedanken hierzu richtig (oder eben völlig daneben) lag, habe ich mich danach dem ein oder anderen soziologischen Text gewidmet – und bin tatsächlich fündig geworden:

In „Etablierte und Außenseiter“ geht Norbert Elias nämlich unter anderem genau dieser Frage nach. Anhand einer Fallstudie hat Elias 1960 eine kleine englische Vorortgemeinde genauer unter die Lupe genommen. Die Ergebnisse seiner Studie hat er im o.g. Essay zusammengefasst. Elias‘ Etablierten/Außenseiter-Theorie mag schon in die Jahre gekommen sein, doch der Mensch hat sich seither offenbar wenig verändert. Jedenfalls fand ich einige Gedanken doch sehr treffend und aufschlussreich. Daher zitiere ich im Folgenden aus seiner Studie.


Zuvor noch ein paar Worte zu den Bedingungen, die Elias‘ Studie zugrunde lagen:  
Die untersuchte Gemeinde – Winston Parva genannt – bestand aus drei Wohnvierteln. Zwei davon (Gruppen genannt) wurden von Elias und seinem Kollegen untersucht. Die Bewohner der beiden Gruppen unterschieden sich nur in der Wohndauer: Die eine Gruppe lebte bereits seit mehreren Generationen in Winston Parva, die andere bestand aus Zugezogenen. In materieller Hinsicht unterschieden sich die Gruppenmitglieder nicht, auch nicht im Bildungsgrad, in der sozialen Klasse, Ethnischer Herkunft oder Religion.


In dieser Gemeinde begegnete man einer scharfen Trennung zwischen einer alteingesessenen Gruppe und einer Gruppe von später Zugewanderten, die von den Etablierten als Außenseiter behandelt wurden. Die ersteren schlossen ihre Reihen gegen die letzteren und stigmatisierten sie generell als Menschen von geringerem Wert.

Für Elias war dieser Sachverhalt zunächst erstaunlich. Daher wollte er der Frage nachgehen: „Wie kommt das? Wie können die Mitglieder einer solchen Gruppe das Gefühl aufrechterhalten, dass sie nicht nur mächtiger, sondern auch in menschlicher Hinsicht besser seien als die einer anderen Gruppe?“

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Im weiteren Verlauf findet er auch Erklärungen, zum Beispiel:

Wie dieser Zusammenhang in Winston Parva funktionierte, war nicht schwer zu sehen. Die „alten Familien“, deren Mitglieder einander seit mehreren Generationen kannten, hatten unter sich eine gemeinsame Lebensweise und einen Normenkanon ausgebildet. Sie befolgten bestimmte Standards und waren stolz darauf. Unter diesen Umständen erlebten sie den Zustrom neuer Nachbarn, obwohl es sich um Landsleute handelte, als eine Bedrohung ihrer eingebürgerten Lebensweise. Für die Kerngruppe des älteren Teiles von Winston Parva war das Gefühl ihres sozialen Status und ihrer Zugehörigkeit fest mit ihrem Gemeindeleben und seiner Tradition verknüpft. Um zu erhalten, was sie als einen hohen Wert empfanden, schlossen sie ihre Reihen gegen die Zuwanderer, womit sie ihre Gruppenidentität schützten und ihren Vorrang sicherten.

Die Mitglieder der „alten Familien“ waren durch Bande emotionaler Vertrautheit […] aneinander gebunden. […] Da sein Ergebnis, eine spezifische Gruppenbindung, unsichtbar war, blieb für die Außenseiter, die zunächst die Alteingesessenen einfach als Menschen ihresgleichen wahrnahmen, das Warum ihres Ausschlusses und ihrer Stigmatisierung im Grunde ein Rätsel. Die Altsiedler ihrerseits konnten nur Erklärungen im Sinne ihrer unmittelbaren Gefühle geben – dass ihr eigener Teil der Gemeinde der weitaus bessere sei […] und dass sie in ihrem Privatleben nichts mit Menschen aus einem schlechteren Teil der Gemeinde zu tun haben wollten, die sie als weniger respektabel und normentreu empfanden als sich selbst.

Völlig daneben lag ich mit meinen Gedanken also nicht. Wenngleich ich zugeben muss, dass es sich bei Winston Parva wohl um ein Extrem handelt. Zumindest empfinde ich die Abschottung der Etablierten in meinem Wohnort als nicht so gravierend. Vermutlich fehlt es den Alteingesessenen an Macht und Status, den es gegen Neuankömmlinge auszuspielen gälte.

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F. ist lediglich ein Vorort, in welchem keine nennenswerten politischen Ordnungen entstanden sind. Auch größere Vereine, Clubs oder Traditionen sucht man hier vergebens. Die Instrumente des Ausschließens fehlen schlicht und ergreifend.

Hinzu kommt, dass die Etablierten keine homogene Masse bilden. Es liegt noch nicht allzu weit zurück, dass sie selbst einst Zugezogene waren. Zu ihnen durchzudringen, ist dennoch schwierig. Sie halten sich eben lieber an jene, die sie bereits kennen. Das ist nachvollziehbar, da menschlich – und dürfte jedem bekannt sein, der einmal die Schule gewechselt hat: Anschluss zu finden, ist schwer.

MM


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