Viele von uns versuchen, sich im Kleinen für die Umwelt zu engagieren. Meine Wenigkeit pflanzt widerstandsfähige Pflanzen, die wenig Wasser brauchen, weil ich kein Trinkwasser verschwenden will. Und dann zahle ich noch brav meine Mitgliedsbeiträge an Greenpeace, wobei mir bewusst ist, dass das nicht mehr als ein moderner Ablasshandel ist, denn wirklich einschränken möchte ich mich nicht. Trotzdem hätte ich nichts dagegen, wenn entsprechende politische Entscheidungen getroffen würden. Politisch passiert allerdings nicht genug. Zumindest wird Deutschland seine Klimaziele für 2030 voraussichtlich verfehlen.
Statt Lob ernten die Umwelt-Lobbyisten Hass
Das könnte durchaus unter den Teppich gekehrt werden und in Vergssenheit geraten, wenn Gruppierungen wie „Fridays for Future“ oder „Die letzte Generation“ nicht medienwirksam protestieren würden. Ich betrachte die Aktivisten daher als Lobbyisten für die Umwelt. Im Gegensatz zu den Industrie- und Wirtschaftslobbyisten verrichten sie ihre Arbeit ehrenamtlich – und zeigen trotzdem größtmöglichen Einsatz. Tatsächlich empfinde ich die Radikalität und Vehemenz ihrer Aktionen angesichts von jährlich 4,5 Millionen Toten durch Luftverschmutzung als durchaus angemessen, auch wenn Medien und Politik ihnen das Gegenteil attestieren. Auch schlechte Presse ist gute Presse – die Aktivisten betreiben PR par excellence. Zumal alle anderen Formen des Protests nichts bewirkt haben. Insofern kann ich nicht so recht nachvollziehen, weshalb die vornehmlich sehr jungen Menschen so viel Hass auf sich ziehen.
Gespaltene Gesellschaft
Ich bringe das Thema Klimawandel bzw. Umweltschutz übrigens nie selbst zur Sprache, wenn ich mir nicht sicher bin, wie meine Gesprächspartner dazu stehen. Wenn es zur Sprache gebracht wird, dann von den Hatern höchstpersönlich. Bekannte von mir fingen einmal damit an, Greta Thunberg aufs Übelste zu diffamieren. Ich nehme an, dass sie mich damit provozieren wollten, weil sie wussten, dass ich Grün wähle.
Nur weil ich Grün wähle, bedeutet das aber nicht, dass ich ein Fan von Greta Thunberg bin. Ich kann sogar nachvollziehen, dass sie vielen meiner Mitmenschen auf die Nerven geht. Aber muss man ihr deswegen gleich den Tod wünschen? Warum schlägt Aversion heutzutage so schnell in blanken Hass um?
Verantwortlich dafür sind m.E. die Sozialen Medien. Erst hieß es ganz harmlos, dass sich jeder nach Interessenlage in seiner eigenen Bubble bewege. Gleich und Gleich gesellt sich gern, das ist keine neue Erkenntnis und beschränkt sich nicht auf die digitale Welt. Nun stellt man fest, dass sich Menschen in einer Online-Bubble jedoch im Nullkommanichts radikalisieren lassen. Man braucht nicht einmal einen Rattenfänger, wenngleich Letzterer die Sache natürlich beschleunigt. Zum Glück radikalisieren sich bislang vor allem Randgruppen. Das Phänomen schwappt allerdings zunehmend auf die gemäßigte Mitte über, was schlimmstenfalls zu einer Spaltung der Gesellschaft führen kann.
Plötzlich heißt es dann, entweder du bist Radfahrer oder Autofahrer:
Der Fahrradfahrer als Moralapostel
Völlig banale Verhaltensweisen werden mittlerweile dazu herangezogen, Menschen in verschiedene “Lager” einzuteilen: Wenn man sich heutzutage als Radfahrer “outet”, wird man sogleich als Feind des Autofahrers identifiziert. Eine Bekannte (die ich eigentlich super-sympathisch finde) meinte mal ganz aufgebracht zu mir: Diese blöden Radfahrer, die sollen gefälligst auch im Winter ihr Rad benutzen! Wer Fahrrad fährt – und somit allen Autofahrern den moralischen Mittelfinger ausstrecke – hätte seine Wahl getroffen und dürfe demnach nie wieder Auto fahren.
Bis dato war mir nicht klar, dass es sich überhaupt um eine moralische Entscheidung handelt, Fahrrad zu fahren. Für mich war es immer ganz klar eine Frage der Distanz: Kurze Strecken = Fahrrad, lange Strecken = Auto. Offenbar ist das Fahrradfahren zu einer politischen Entscheidung geworden – genauso wie der Umweltschutz. Man bekennt sich sozusagen zu einer Seite und zieht damit ganz natürlich den Argwohn der anderen auf sich.
Das klingt erstmal lächerlich, und ehrlich gesagt, musste ich wirklich herzhaft lachen, als ich die Hasstiraden auf Greta Thunberg zum ersten Mal gehört habe. Ich konnte diese unglaubliche Wut auf ein kleines schwedisches Mädchen mit einem Pappschild in der Hand einfach nur als Schwachsinn abtun. Genauso wie die Argumente der Leugner des Klimawandels.
Wenn ich mir heute die Hasskommentare durchlese, die auf Twitter unter den Beiträgen von Letzte Generation & Co. stehen, bleibt mir das Lachen allerdings im Halse stecken. So, wie der Klimawandel uns längst eingeholt hat, ist auch die Spaltung der Gesellschaft bereits Realität. Ausbaden müssen es (u.a.) die Klimaaktivisten:
Hate Speech sei etwas, das viele Menschen als Jux und Tollerei abtäten, sagt Karunungan. „Und wenn es dann Gewalt in der realen Welt gibt, denken sie, dass kein Zusammenhang besteht – aber den gibt es definitiv.“ […]
Hate Speech werde sehr strategisch eingesetzt, berichtet auch Ed O’Donovan von der Menschenrechtsorganisation Frontline Defenders: „Die Leute werden dadurch entmenschlicht, dass man sie als Kriminelle behandelt. Das Kalkül besteht darin, dass der öffentliche Aufschrei bei tatsächlicher Gewalt gegen sie dann gering ausfällt.“
DW: Wie beeinflusst Hate Speech Klimaaktivisten weltweit?
Was wollen die Klimaaktivisten überhaupt?
Klar, niemand möchte sich bevormunden lassen, erstrecht nicht in Bezug auf seinen Lebensstil. Deshalb wird kein Autofahrer, der wegen einer Protestaktion im Stau steht, beim nächsten Mal aufs Auto verzichten und stattdessen die Öffis nutzen. Doch genauso wenig wird Klimaschutz funktionieren, wenn man die Leute freiwillig darüber entscheiden lässt, etwas für die Umwelt zu tun.
Selbst ich frage mich oft, was es nützt, wenn ich aufs Auto verzichte, zum Bahnhof radle und mich dann in einen völlig überfüllten Zug quetsche – in Anbetracht dessen, dass einige meiner Nachbarn bis zu 4(!) Autos in der Einfahrt stehen haben und damit jeden noch so kurzen Weg fahren.
Es ist einfach wahnsinnig demotivierend und frustrierend, erkennen zu müssen, dass man sich mit seinen noch so kleinen Bemühungen um Umweltschutz in der Minderheit befindet und es in keinster Weise wertgeschätzt wird (stattdessen wird man abschätzig als Gutmensch oder Weltverbesserer bezeichnet). Und daran wird sich nichts ändern, wenn unsere Politik keine unbequemen Entscheidungen trifft, die uns ALLE zwingen, zu handeln.
Und hier kommen die Klimaaktivisten ins Spiel: Sie setzen den Klimawandel auf die Agenda, so dass das Thema nicht mehr verdrängt werden kann. Bleibt zu hoffen, dass die Politik reagiert und entsprechende Maßnahmen auf den Weg bringt. Ich persönlich habe nämlich keine Lust mehr, mich umweltverträglich zu verhalten, wenn kaum jemand nachzieht.
Vielleicht ist das ja der wahre Grund für den Hass: Dass nach Ansicht der Klimaaktivisten jeder seinen Beitrag zum Umweltschutz leisten muss. Ohne Ausnahme.
Damit habe ich die Frage nach den Gründen für den Hass nur zum Teil beantwortet. Es gibt mit Sicherheit noch viele weitere.
Wie kommt es also, dass Klimaaktivisten zur Zielscheibe radikaler Randgruppen und zunehmend auch der Mitte der Gesellschaft geworden sind? –Und warum lese und höre ich im Gegenzug so selten davon, dass Menschen den Klimaaktivisten Verständnis entgegenbringen, ihr Anliegen gar unterstützen?
Update 01/2022: Mit Freude nehme ich zur Kenntnis, dass die Presse doch recht ausgewogen über den Klimaaktivismus berichtet. Tatsächlich lese ich immer mehr positive Artikel, insbesondere im Tagesspiegel.
Ich kann mich noch gut an die Reaktion von Politikern auf Pegida und Wutbürger erinnnern: Damals hieß es, man müsse die Sorgen dieser Leute ernst nehmen. Obwohl ich für Menschen, die sich von Rechtspopulisten instrumentalisieren lassen, nicht viel übrig habe, begrüße ich den Ansatz, mit ihnen im Gespräch zu bleiben. Warum billigt man den Klimaaktivisten nicht dasselbe Recht zu? Ich bezweifle, dass der Grund dafür wirklich nur in der Radikalität ihrer Aktionen zu finden ist, denn schon die friedlichen Demonstrationen von Fridays for Future wurden sehr heftig kritisiert.
Natürlich war der Hass schon immer da. Er sucht sich lediglich fortwährend ein neues Ventil. Momentan sind es die Klimaaktivisten, an denen er herausgelassen wird. Statt diese in Schutz zu nehmen, schlagen Politiker lieber in dieselbe Kerbe – aus Angst, sie könnten den Hass ebenfalls auf sich ziehen. Wie erbärmlich.
MM
Ich gehöre zur Generation der alten weißen Männer und lehne die Grünen 100prozentig ab, weil sie alles dafür tun, unseren Planeten dem Untergang zuzuführen. Alles, was an den Grünen mal grün war, haben sie über Bord geworfen, weil sie so machtgeil sind. Nun sind sie schwärzer als die Schwarzen. Ich bewundere die Aktionen der Klimaaktivisten von ganzem Herzen, weil nur noch von ihnen der verzweifelte Aufschrei zur Rettung der Erde zu hören ist. Aber ich bin der Überzeugung, dass es bereits zu spät ist und die Erde und damit die Menschheit ihrem Ende entgegen geht. Mein Dank insbesondere an die Grünen, die viele junge Menschen in ihre menscheitsverachtenden Machenschaften hineingezogen haben wie der Rattenfänger von Hameln.
Dein Kommentar erinnert mich ein wenig an einen Text von T.C. Boyle, den ich vor vielen Jahren mal in der Zeitung gelesen habe. Er war ebenfalls der Überzeugung, dass die Menschheit dem Untergang geweiht ist, weil sie sich selbst die Lebensgrundlage entzieht. Ich selbst bin weniger pessimistisch, weil ich gesehen habe, dass die Natur regenerationsfähig ist. Ich bin in Dessau (Sachsen-Anhalt) aufgewachsen, durch die Stadt führt ein Fluss namens Mulde. Nahe am Zentrum befindet sich das Mulde-Wehr, also ein kleiner künstlicher Wasserfall. Man konnte dort allerdings kein Wasser sehen, sondern nur Schaum, meterhohen Schaum, der einen widerlichen Gestank verströmte. Mit dem Untergang der DDR und damit auch vieler Industrien verbesserte sich die Wasserqualität der Mulde. Heute sieht man am Mulde-Wehr keinen Schaum mehr – und es gibt sogar Leute, die in der Mulde baden! Deshalb glaube ich, dass es für die Natur niemals zu spät ist.
Um noch einmal auf T. C. Boyle zurückzukommen: In einem Interview sagte er mal: „Wir alle sind Teil des Problems, ich bin Teil des Problems. Wir leben in einer Konsumgesellschaft, und egal ob wir mit dem Auto durch die Stadt fahren, im Wald ein Feuer anzünden oder nur etwas essen: Alles, was wir tun, trägt in gewisser Weise zur Zerstörung alles anderen bei. Wie ich anfangs sagte: Der Mensch ist ein Tier, und letztendlich sind das Überleben und die Vermehrung sein einziger Zweck.“
Nun, vielleicht schafft man es, die Umwelt weniger zu zerstören. So wenig, dass auch viele Generationen nach uns noch ein gutes Leben haben können?
Ich wähle übrigens nicht aus Überzeugung Grün, sondern aus Mangel an Alternativen 😉
MM